Ökosystem: Störungen und Regulation

Ökosystem: Störungen und Regulation
Ökosystem: Störungen und Regulation
 
Ist ein Lebensraum oder Biotop in viele Bereiche mit unterschiedlichen Umweltbedingungen gegliedert, herrschen also zum Beispiel Unterschiede in Sonneneinstrahlung, Temperatur oder Feuchteangebot, dann können sich dort viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten mit ihren unterschiedlichsten Ansprüchen an die Umwelt ansiedeln. Sie werden dort alle die ihnen zusagenden »ökologischen Nischen« vorfinden. Artenreichtum und Individuenzahl (Ökologen bezeichnen beides zusammen als Diversität) sind in reich gegliederten Lebensräumen hoch. Beispiele solch hochdiverser Lebensräume bilden tropische Regenwälder und Korallenriffe. Ist der Lebensraum dagegen einheitlich gestaltet, können sich dort nur wenige Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen an ihre Umwelt ansiedeln, weil sonst die Konkurrenz um die vorhandenen Ressourcen zu groß wird. Beispiele für solche vergleichsweise monotonen Lebensräume sind unter anderem die Tundra und die Tiefsee. Der Arten- und Individuenreichtum eines Lebensraums hängt nicht nur von der Vielgestaltigkeit, sondern auch von dessen Produktivität ab, das heißt insbesondere von der Biomasseproduktion der dort lebenden photosynthetisch tätigen Pflanzen (den Produzenten) oder von der Zufuhr organischer Stoffe aus anderen Quellen.
 
 Lebewesen können ihre unbelebte Umwelt verändern
 
Jedoch wird in einem Ökosystem nicht nur die Artenzusammensetzung durch die unbelebte Umwelt geprägt, die Lebewesen können auch auf die unbelebte Umwelt zurückwirken und sie gegebenenfalls sogar verändern. Diese Eigenschaft wird besonders deutlich, wenn die Lebewesen eines bestehenden Ökosystems durch andere Organismen ersetzt werden. Wird beispielsweise eine ausgedehnte Waldfläche abgeholzt, um Ackerland zu gewinnen, dann verändert dieser Eingriff Bodenstruktur und Wasserhaushalt der Landschaft nachhaltig. Durch die Beseitigung der Pflanzendecke kann nun die Sonne direkt auf den ungeschützten Boden einwirken, der dadurch wesentlich stärker austrocknet, als es zuvor möglich war. Niederschlagswasser kann nun nicht mehr so gut festgehalten werden und läuft zum Teil an der Bodenoberfläche ab. Infolgedessen wird der Grundwasserspiegel sinken. Mit dem Beseitigen der Bäume und mit trockener werdendem Oberboden verschwinden viele Bodenlebewesen, die man normalerweise nur im Waldboden findet, wie zum Beispiel viele Pilzarten. Austrocknung des Bodens, Angreifbarkeit durch den Wind, aber auch der vermehrte Oberflächenabfluss von Niederschlagswasser lassen verstärkt Bodenerosion zu. Da Bäume fehlen, unterbleibt der alljährliche Laub- und Nadelfall, der stets für eine dicke Humusdecke auf dem Mineralboden sorgte.
 
Durch den schwindenden Humusgehalt des Bodens verschlechtert sich nicht nur dessen Vermögen, Wasser und Pflanzennährstoffe festzuhalten. Vielmehr kommt es dadurch auch zu Strukturveränderungen des Bodens, denn nun können immer weniger Humuspartikel zusammen mit Mineralstoffpartikeln größere Bodenkrümel bilden, die für Durchlüftung und Wasserhaltevermögen des Bodens wichtig sind. Schließlich sinkt auch die relative Luftfeuchte in dem vormals von Bäumen eingeschlossenen Luftraum. Dieses Bündel von Rückwirkungen der Pflanzendecke auf die unbelebte Natur kann unter bestimmten Bedingungen die Abholzung eines Waldes zu einer irreversiblen Landschaftsveränderung werden lassen, so wie man es gegenwärtig bei der Abholzung tropischer Regenwälder beobachten kann. In alpinen Regionen kann die Beseitigung oder auch nur eine Ausdünnung der Pflanzendecke Erdrutsche ermöglichen, die dann die Gebirgstäler mit Schotter füllen. Wird durch solchen Gebirgsschotter der Wasserabfluss aus den Tälern behindert, können sie versumpfen und vermooren.
 
 Ökosysteme: recht stabil, aber nicht starr
 
Ökosysteme erweisen sich als Ganzes recht stabil in ihren wichtigsten Eigenschaften, wie beispielsweise der Biomasseproduktion. Diese kann man in Gramm Biomasse pro Quadratmeter und Jahr messen (1 g/m2 entspricht 10 kg/ha). Dabei bezeichnet man als Biomasse das Trockengewicht aller Lebewesen eines Ökosystems, also die Trockenmasse von Produzenten, Konsumenten und Reduzenten gemeinsam. Biomasseproduktionswerte stellen für die verschiedenen Ökosysteme so charakteristische, konstante Größen dar, dass man sie zur Einteilung in Systeme mit geringer, mittlerer und hoher Produktivität verwenden kann.
 
Zu den Ökosystemen mit ausgesprochen geringer Produktivität gehören extreme Trockengebiete, wie Halbwüsten und Wüsten mit einer Biomasseproduktion von 0 bis 200 g/m2 jährlich, sowie Tundren mit einem Wert von 10 bis 400 g/m2. Eine mittlere Produktivität weisen beispielsweise Steppen auf mit einer Biomasseproduktion von jährlich 150 bis 1500 g/m2. Dagegen besitzen Ackerland in den gemäßigten Breiten mit 1000 bis 3000 g/m2 und sommergrüner Laubmischwald mit 600 bis 3000 g/m2 bereits eine hohe Produktivität. Extrem hohe Biomasseproduktion verzeichnen Korallenriffe mit 3500 bis 4000 g/m2 sowie intensiv bewirtschaftetes Ackerland in den Tropen mit mehr als 7000 g/m2. Die Konstanz solcher Ökosystemeigenschaften mag auf den ersten Blick verwundern, denn es können immer wieder Ausfälle im Bereich der Produzenten, der Konsumenten oder der Reduzenten auftreten, etwa durch das Absterben von Organismen oder Minderleistungen infolge ungünstiger Umweltbedingungen. Wenn sich dennoch die Gesamtleistung des Systems vergleichsweise geringfügig ändert, so ist das auf dessen »Plastizität« (Formbarkeit) zurückzuführen.
 
Um uns diese Plastizität besser vor Augen führen zu können, stellen wir uns eine Wiese vor, aus der man alle Gänseblümchen ausreißt. Misst man am Ende des Jahres die Biomasseproduktion dieser Wiese, dann wird sie trotz des Verlusts einer kompletten Art etwa ebenso hoch liegen wie im Vorjahr, als alle Gänseblümchen noch vorhanden waren, weil die Freistellen auf der Wiese, die durch das Herausreißen der Gänseblümchen entstanden, innerhalb kurzer Zeit von anderen Pflanzen eingenommen wurden. Der Verlust einer Art wurde durch andere kompensiert. Die gleichen Gesetzmäßigkeiten wurden auch für die Gruppen der Konsumenten und Reduzenten mehrfach nachgewiesen. Beispielsweise fing man in Gärten systematisch alle diejenigen Insekten, die als Hauptbesucher der Blüten bekannt waren. Dennoch litt darunter die Blütenbestäubung nicht, weil nun andere Insekten, die sonst von den Hauptblütenbesuchern verdrängt wurden, die Bestäubung übernahmen. Bei der Gruppe der Reduzenten oder Destruenten machte man beispielsweise die Erfahrung, dass nach einer Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln, denen verschiedene Bakterien- und Pilzarten zum Opfer fielen, die Gesamtstoffwechselleistungen im Boden etwa konstant blieben. Nach der Vernichtung einiger Arten von Mikroorganismen hatten offenbar andere Arten innerhalb kurzer Zeit die durch die Bekämpfungsmaßnahmen geschaffenen Freistellen aufgefüllt und die Funktionen der vernichteten Arten übernommen.
 
Innerhalb einer funktionellen Gruppe, wie beispielsweise der der Produzenten, sind kompensatorische Wechselwirkungen der verschiedenen Arten nicht nur möglich, sondern offenbar die Regel. Dies hat folgenden Grund: In jeder Lebensgemeinschaft werden die einzelnen Arten mehr oder weniger stark ausgeprägt in bestimmte ökologische Nischen abgedrängt, weil es das Konkurrenzverhalten der verschiedenen Arten untereinander so erfordert. Wird eine Art ganz oder teilweise beseitigt oder auch nur in ihrer Vitalität eingeschränkt, dann können andere Arten die dadurch frei werdenden ökologischen Nischen mitbenutzen, weil sie ohnehin ihren physiologischen Bedürfnissen entsprechen. Diese Plastizität der einzelnen Arten wurde bereits beim weiter oben gezeigten Verhalten der drei Gräser Wiesenfuchsschwanz, Glatthafer und Aufrechte Trespe deutlich. Würde man aus dem dort beschriebenen Mischbestand den Glatthafer beseitigen, dann könnte dessen Lebensraum sofort durch die beiden anderen Arten eingenommen werden.
 
 Störungen können in Ökosystemen einen Artenwechsel verursachen
 
Ökosysteme stellen zwar ein wohl eingespieltes Gefüge verschiedener Arten von Lebewesen untereinander dar, doch müssen sie deshalb noch lange keine starren, unveränderlichen Formationen bilden. Man kann das besonders gut beobachten, wenn ein Lebensraum erstmals von Lebewesen erobert wird, wie beispielsweise eine frisch geschüttete Straßenböschung oder Brachland, das durch die Beseitigung einer anderen Lebensgemeinschaft entstanden ist. In solchen Fällen vollzieht sich nach der Erstbesiedlung durch Pioniergewächse im Verlauf einiger Jahre oder Jahrzehnte ein geordneter Artenwechsel, der schließlich in einer Gesellschaft endet, die für geraume Zeit in kaum veränderter Form erhalten bleibt, und die als Schluss- oder Klimaxgesellschaft bezeichnet wird. Ein solcher nach bestimmten Regeln automatisch ablaufender Artenwechsel wird auch als autogene Sukzession bezeichnet. Über sehr lange Zeiträume hinweg bleibt jedoch selbst eine Schlussgesellschaft nicht völlig unverändert erhalten. Sonst müssten viele, sehr alte tropische Regenwälder noch heute den Wäldern des Erdzeitalters Tertiär gleichen. Ganz allmählich durchlaufen auch Schlussgesellschaften Veränderungen, bedingt durch Verschiebungen der Umweltbedingungen und durch evolutionäre Fortentwicklung der Lebewesen. Werden solche Veränderungen nur durch äußere Faktoren erzwungen, so nennt man das eine allogene Sukzession.
 
Bei autogenen Sukzessionen, etwa im Zuge der Neubesiedlung von Brachland, treten zunächst einjährige Kräuter auf, wie Klatschmohn und Kamille. In deren Gefolge siedeln sich in den folgenden Jahren horstbildende Gräser und mehrjährige Stauden wie etwa der Löwenzahn an, wodurch die Erstbesiedler oder Pionierpflanzen langsam zurückgedrängt werden. Dazu gesellen sich erste Sträucher, wie Holunder und Sanddorn, sowie einige anspruchslose Baumarten, wie beispielsweise die Birke und der Spitzahorn. Handelte es sich bei den Erstbesiedlern ausschließlich um sehr lichtbedürftige Pflanzen, die geringe Nährstoffansprüche an den Boden stellen und deren nahezu gesamte Biomasse am Ende der Vegetationsperiode als Streu auf den Boden gelangt, so können die in den folgenden Jahren dazu kommenden Folgegesellschaften bereits einen leicht mit organischen Reststoffen angereicherten Boden beanspruchen. Darüber hinaus werden sie einen etwas ausgeglicheneren Temperaturgang infolge der dichter gewordenen Pflanzenbedeckung vorfinden, und es werden sich Wechselwirkungen mit Tieren einstellen, die durch das große Angebot ungenutzter Biomasse angelockt werden. Auf diese Weise wird der zunächst vorhandene Biomasseüberschuss der photosynthetisch tätigen Pflanzen durch die heterotroph lebenden Tiere verbraucht.
 
Der Biomasseüberschuss der Pioniergesellschaften schrumpft also bei den Folgegesellschaften immer mehr zusammen, weil die Atmung der Pflanzen und Tiere den Energie- und Stoffgewinn durch die Photosynthese zunehmend aufbraucht. Abgestorbene Tiere und Pflanzen werden im Boden in zunehmendem Maße durch Reduzenten (Saprobionten) wieder mineralisiert, sodass sich allmählich geschlossene Stoffkreisläufe ausbilden. Auf dem immer stärker mit Humus angereicherten Boden siedelt sich ein Übergangs- oder Zwischenwald an, in dem unter anderem Eichen, Linden und Ulmen stehen. Schließlich geht der Zwischenwald im Verlauf vieler Jahre immer mehr in einen Schlusswald (als Klimaxgesellschaft) über, in dem im flachen mitteleuropäischen Raum häufig Rotbuchen dominieren und in gebirgigen Gebieten Tannen und Fichten. Die Bäume dieser Schlussgesellschaften zeichnen sich meist durch eine obligate (unentbehrliche) Mykorrhiza aus. Die Mykorrhizapilze beteiligen sich an der Zersetzung der Laubstreu und verschaffen damit ihren Symbiosepartnern, den Bäumen, ein reichhaltiges Nahrungsangebot.
 
 Schlussgesellschaften und regressive Sukzession
 
Am Boden solcher Schlusswälder können meist nur noch sehr schattenverträgliche Kräuter existieren, sodass der Artenreichtum der Schlusswälder in der Regel gegenüber demjenigen der Zwischenwälder wieder etwas zurückgeht. In den Schlusswaldgesellschaften halten sich nun Produktion und Veratmung von Biomasse nahezu die Waage, die photosynthetisch fixierte Sonnenenergie wird also vom ganzen Ökosystem optimal genutzt. Dieser Zustand stellt letztlich immer das Ziel dar, das eine Sukzession anstrebt. Die hier kurz vorgestellten Abfolgen von Lebensgemeinschaften, die ein zuvor unbesiedeltes Gebiet erobern und alle typischen Eigenschaften einer natürlichen Sukzession aufweisen, nennt man Primärsukzessionen. Setzt dagegen eine Sukzession in einem Areal ein, das zuvor bereits eine gut entwickelte Lebensgemeinschaft trug, dann spricht man von einer Sekundärsukzession.
 
Sekundärsukzessionen entwickeln sich beispielsweise nach einem Kahlschlag von Waldflächen. Hier existiert bereits ein nährstoffreicher, humoser Boden, sodass sich von Beginn an anspruchsvollere Pflanzenarten ansiedeln können, echte Pioniergesellschaften fehlen also weitgehend. Allogene Sukzessionen laufen ab, wenn eine Umweltveränderung eine Sukzession erzwingt, zum Beispiel wenn der Grundwasserspiegel drastisch sinkt, sodass die ursprüngliche Pflanzengesellschaft nicht mehr lebensfähig ist. In einem solchen Fall wird sich eine Artenfolge entwickeln, die in eine Trockenheit ertragende Schlussgesellschaft einmündet. Verursachen die Menschen Umweltveränderungen, dann können bereits existierende Schlussgesellschaften zerstört werden und es stellen sich Ersatzgesellschaften ein, die an die neu geschaffene Situation mehr oder minder gut angepasst sind. Solche Sukzessionen, die von einer bereits bestehenden Schlussgesellschaft wegführen, nennt man regressive Sukzessionen. Man findet sie heute immer häufiger infolge zunehmender Belastung von Luft, Wasser und Boden.
 
 Pulsstabilisierte Entwicklungsstufen von Sukzessionen
 
Werden in regelmäßigen Zeitabständen Umwelteinflüsse wirksam, die eine Sukzession daran hindern, das End- oder Klimaxstadium zu erreichen, entwickeln sich pulsstabilisierte Entwicklungsstufen dieser Sukzession. Man spricht dann von einer Subklimaxgesellschaft. Solch gravierende Ereignisse können Vegetationsbrände oder Überschwemmungen sein, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen. Infolge derartiger Vorkommnisse, denen die gesamte Vegetation, zumindest deren oberirdische Teile, zum Opfer fällt, haben sich Pflanzen- und Tiergesellschaften entwickelt und behauptet, die in ungestörten Lebensräumen längst verdrängt wurden.
 
Die regelmäßige Verjüngung solcher Lebensgemeinschaften hat außerdem zur Folge, dass sich Atmung und Photosynthese noch nicht die Waage halten. Deshalb weisen solche Regionen stets einen Überschuss an Biomasseproduktion auf, ähnlich wie Pionierge- sellschaften. Derartige Ökosysteme waren deshalb schon frühzeitig im Verlauf der Entwicklungsgeschichte der Menschen begehrte Siedlungsgebiete, wie etwa das Niltal, das früher alljährlich überschwemmt und zusätzlich vom Nilschlamm gedüngt wurde und so zur reichen Kornkammer der antiken Mittelmeerkulturen aufstieg. Ähnlich war — vor der Kanalisierung der Flüsse — auch die Biomasseproduktion mitteleuropäischer, regelmäßig überschwemmter Flussauen viel höher als diejenige benachbarter Lebensräume.
 
Schließlich gehören zu den pulsstabilisierten Entwicklungsstufen von Sukzessionen das Wattenmeer flacher Küstenstreifen und Flussmündungen mit ständig wechselndem Wasserstand. Solche pulsstabilisierten Subklimaxgesellschaften tragen deshalb stets dazu bei, Tiere anderer Lebensräume zum Teil mitzuernähren. Ähnlich hohe Biomasseüberschüsse wie pulsstabilisierte Subklimaxgesellschaften erzeugt der Mensch mit seiner Agrarwirtschaft: Ein mit Kulturpflanzen bestelltes Feld überlässt man nicht einer natürlichen Sukzession, vielmehr wird das Feld alljährlich abgeerntet und geackert, damit im nächsten Jahr eine verjüngte Pflanzengesellschaft aufwachsen kann. Wegen des durch Düngung stets nährstoffreich gehaltenen Bodens müssen keineswegs Pioniergewächse wie beispielsweise Lupinen angepflanzt werden, vielmehr kann man sofort anspruchsvolle Pflanzen wie zum Beispiel Zuckerrüben einsetzen.
 
 Pioniergesellschaften und Subklimaxgesellschaften sind empfindlich
 
Die Überschussproduktion von Biomasse ist eine ökologisch sehr bedeutende Eigenschaft von Pioniergesellschaften und pulsstabilisierten Subklimaxgesellschaften. Doch diesem unbestreitbaren Vorzug für die Ernährung aller heterotrophen Lebewesen steht die Eigenschaft gegenüber, dass solche Gesellschaften mitunter viel empfindlicher auf Umweltveränderungen reagieren als artenreiche Klimaxgesellschaften. So übersteht beispielsweise ein Laubmischwald eine Trockenperiode recht gut, während eine Pioniergesellschaft oder eine Zuckerrübenkultur dabei völlig zugrunde gehen kann. Auch Schädlingsbefall kann eine Pioniergesellschaft häufig stärker in Mitleidenschaft ziehen als eine Klimaxgesellschaft mit ihrem ungleich größeren Artenreichtum. Dieser sorgt für eine viel stärkere Isolierung der Schädlinge auf deren ganz spezielle Nahrungspflanzen, als es in einer Monokultur der Fall ist. Bestimmte Klimaxgesellschaften entwickeln auch ein gewisses Pufferungsvermögen gegenüber Umwelteinflüssen: So treten in einem dichten Wald beispielsweise wesentlich sanftere Temperaturwechsel auf als auf freiem Feld, und ein Wald ist in der Lage, große Niederschlagsmengen zu speichern, während im Freiland ein beträchtlicher Anteil der Niederschläge sofort abfließt. Allerdings kann nicht jede Klimaxgesellschaft so hohe Pufferungsleistungen erbringen wie ein Wald. Dennoch sollen diese wenigen Beispiele zeigen, dass es nicht angebracht ist, beliebig viele Klimaxgesellschaften gegen Agrarland einzutauschen, weil damit erhebliche ökologische Nachteile einhergehen können.
 
Prof. Dr. Günter Fellenberg
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Wald: Der Laubmischwald als Beispiel für ein Ökosystem
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Stoffkreisläufe und Nährstoffhaushalt
 
 
Begon, Michael u. a.: Ökologie. Aus dem Englischen. Neuausgabe Heidelberg u. a. 1998.
 Klötzli, Frank: Ökosysteme. Aufbau, Funktionen, Störungen. Stuttgart u. a. 31993.
 Lampert, Winfried / Sommer, Ulrich: Limnoökologie. Stuttgart u. a. 1993.
 
Lehrbuch der Ökologie, herausgegeben von Rudolf Schubert. Jena 31991.
 Lovelock, James: Gaia. Die Erde ist ein Lebewesen. Anatomie und Physiologie des Organismus Erde. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe München 1996.
 
Mit der Erde leben. Beiträge geologischer Dienste zur Daseinsvorsorge und nachhaltigen Entwicklung, herausgegeben von Friedrich-Wilhelm Wellmer u. a. Berlin u. a. 1999.
 
Natur- und Umweltschutz. Ökologische Grundlagen, Methoden, Umsetzung, herausgegeben von Lore Steubing u. a. Jena u. a. 1995.
 Odum, Eugene P.: Ökologie. Grundlagen, Standorte, Anwendung. Aus dem Englischen. Stuttgart u. a. 31999.
 Odum, Eugene P. / Reichholf, Josef: Ökologie. Grundbegriffe, Verknüpfungen, Perspektiven. Brücke zwischen den Natur- und Sozialwissenschaften. Aus dem Englischen. München u. a. 41980.
 Osteroth, Dieter: Biomasse. Rückkehr zum ökologischen Gleichgewicht. Berlin u. a. 1992.
 Schaefer, Matthias: Ökologie. Jena 31992.
 
Das Überlebensprinzip. Ökologie und Evolution, bearbeitet von Hinrich Bäsemann u. a. Hamburg 1992.
 Volk, Tyler: Gaia's body. Towards a physiology of earth. New York 1998.

Universal-Lexikon. 2012.

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